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Welchen Unterschied machen #ATACMS und ähnliche Langstreckenwaffen im Russisch-Ukrainischen Krieg?

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Kurzinterview: Welchen Unterschied machen #ATACMS und ähnliche Langstreckenwaffen im Russisch-Ukrainischen Krieg?

1. Die Ukraine hatte noch nie Raketen mit so großer Reichweite. Was bedeutet das für den Widerstand gegen Russland? Kann das helfen? Gerade hat es die Ukraine äußerst schwer an der Front.

Die ballistischen Kurzstreckenraketen ATACMS (Army TACtical Missile Systems) und ähnliche Waffensysteme wurden von Kyjiw bereits vor längerer Zeit von den USA und anderen Partnerländern nachdrücklich erbeten. Das hohe ukrainische Interesse an diesem Raketentyp hat mit einer entscheidenden Achillesverse der russischen Okkupationsstreitkräfte zu tun – die langen Nachschub-, Kommunikations- und Befehlswege. Die ATACMS und ähnliche weit fliegende Präzisionswaffen erlauben es der Ukraine, russische militärische Transportinfrastruktur, Lagerhallen, Treibstoffdepots, Kasernen, Kommandozentralen usw. weit hinter der Front punktgenau zu zerstören. Im Idealfall können damit russische Kampfeinheiten an der Frontlinie in einem Masse von Versorgung, Auffüllung und Führung aus dem Hinterland abgeschnitten und taktisch geschwächt werden, dass sie sich auch ohne einen ukrainischen Großangriff zurückziehen müssen. Das erspart der Ukraine hohe Verluste an Soldaten und Technik in aufwändigen und riskanten Landoffensiven.

2. Was sind potenzielle und strategisch sinnvolle Ziele? Russische Versorgungsrouten? Die Kertsch-Brücke?

Die genauen Ziele werden von der konkreten Lage am jeweiligen Frontabschnitt abhängen. Das mögen je nach Situation Verkehrsknotenpunkte, Truppenbasen, Feuerleitstellen, Landeplätze, Tankstationen usw. sein. Soweit ich die militärischen Expertenkommentare verstehe, ist die Kertscher Brücke zu massiv, um sie mit ATACMS schnell unbrauchbar zu schießen. Für die Zerstörung umfänglicher Anlagen wie der Kertscher Brücke, deren Großteil sich im Übrigen auf ukrainischem Hoheitsgebiet befindet, scheinen die deutschen Marschflugkörper „Taurus“ besser geeignet zu sein. Aus diesem Grund und aufgrund der entscheidenden militärstrategischen sowie gesamtpolitischen Bedeutung der Krim für Russlands Krieg hat Kyjiw hohes Interesse am Taurus-System.

3. Lange wurde gezögert, Raketen mit dieser Reichweite zu schicken. Wie kommt es zu dem Sinneswandel?

Womöglich gab es bis 2023 die Illusion, dass die Ukraine auch ohne moderne westliche Langstreckenwaffen und mit eigener veralteter Gerätschaft die russischen Truppen wieder von ihrem Territorium vertreiben kann. Für einen Moment sah es 2022 tatsächlich so aus, dass dies möglich sei. Die Ukraine befreite damals im Handstreich ca. die Hälfte des von Russland in den ersten Kriegswochen okkupierten ukrainischen Gebiets und schaffte dies mit ihren weitgehend veralteten Waffen. Inzwischen hat sich die Lage jedoch geändert. Nunmehr scheint einigen westlichen Partnern klar zu werden, dass Beschränkungen von Waffenlieferungen den Krieg nur verlängern. Auch hat sich die genozidale Handlungsweise und Rhetorik Russlands seit 2022 fortgesetzt und verschärft. Damit verlieren die scheinbar moderaten Argumente der ersten beiden Kriegsjahre auch für viele Laienbeobachter an politischem Sinn und moralischer Legitimität. Bleibt zu hoffen, dass auch westeuropäische und insbesondere deutsche Entscheidungsträger betreffs solcher Fragen wie der Lieferung von Kampfflugzeugen und Taurus-Marschflugkörpern entsprechende Schlussfolgerungen ziehen.


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