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Interview: Wie viel Putin zieht im Juni mit ins Europäische Parlament ein?

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– Wie groß schätzen Sie den Einfluss aus Russland auf die Europawahl ein?

Das wird man erst nach den Wahlen sagen können. Das von der Organisationskultur des sowjetischen KGB geprägte heutige russische Regime findet immer neue Schwachpunkte und Subversionstaktiken, um westliche politische Systeme, liberale Institutionen und pluralistische Politik auszuhöhlen. Man kann im Voraus nur mit Sicherheit sagen, dass es Unterwanderungsversuche geben wird. Inwieweit diese erfolgreich sein werden und wie gut Verfassungsschützer demokratischer Staaten auf den Angriff vorbereitet sind, weiß man erst nach dem Ereignis. Man hofft, dass die US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen von 2016, die Donald Trump vermutlich mit Hilfe russischer Geheimoperationen knapp gewann, allen Beteiligten von Parlaments- und anderen Wahlen in der EU eine Warnung sind.

– Welche Parteien in welchen Ländern sind besonders Putin-nah und könnten seine Interessen im EU-Parlament vertreten?

Die meisten zentristischen europäischen Parteien mit einst prorussischen Tendenzen sind im Lichte von Russlands Vernichtungskrieg gegen die Ukraine seit 2022 nun klar anti-Putin. Somit geht es fast nur noch um verschiedene radikale Parteien. Heute ist womöglich die AfD der wichtigste prorussische politische Akteur nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch auf europäischer Ebene sein. Allerdings sind sich die europäischen Nationalisten insgesamt – anders als noch vor 2022 – nicht mehr einig in ihrer Russlandunterstützung. Die italienische Rechte etwa war unter der Führung von Berlusconi, Salvini und Konsorten weitgehend pro-Putin; das hat sich unter Melloni geändert. Auch bei den europäischen radikalen Linken herrscht große Uneinigkeit. Eine Sonderrolle spielt die ungarische Regierung, die man inzwischen als kollektiven Agenten des Kremls in der EU und NATO bezeichnen kann. Allerdings hat Ungarn im Europaparlament nur geringes Gewicht.

– Gibt es Ihrer Meinung nach einzelne Politiker (aus Deutschland oder anderen Ländern), die Putins Ideologie, insbesondere natürlich in Bezug auf die Aggression in der Ukraine, in das EU-Parlament bringen könnten?

Die künftige AfD-Fraktion im Europaparlament wird unter Krah und Bystron eine prominente Rolle in dieser Hinsicht spielen. Zumal ihre Führung offenbar Russland nicht nur ideologisch nahesteht, sondern dem Kreml auch finanziell verpflichtet ist. Die ideologische Geisterfahrerei der heute vom einstigen „Flügel“ Höckes dominierten AfD geht inzwischen so weit, dass die französischen Rechtsradikalen – keineswegs moderat! – nicht mehr mir ihren deutschen Kollegen koalieren wollen. Auch hat sich Marine Le Pen nach ihrem früheren Flirt mit Putin im Lichte der russischen völkermörderischen Kriegsführung in der Ukraine nun von Moskau distanziert. Die AfD hingegen ist weiter auf prorussischem Kurs. Und das obwohl eine nationalistische Partei an und für sich Sympathie für UkrainerInnen haben müsste, die für die Erhaltung ihrer nationalen Unabhängigkeit, Staatlichkeit, Grenzen, Kultur sowie Identität kämpfen und sterben.


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